Jedes Jahr findet in Oberhausen der Bundeslehrgang Koshinkan statt. Dieses mal unter besonderer Flagge, dem 25 jährigen Bestehen der Stilrichtung. Unsere Anreise, Erich, Erik und meine, erfolgte sehr entspannt mit dem Zug. Oberhausen liegt ja heftig im Ruhrpott, nördlich von Duisburg. Wer also glaubt, nach dem Erreichen von Frankfurt am Main hätte man ja schon das meiste hinter sich und mit Staus kann es ja nun nicht mehr so schlimm werden, schaut irgendwann doch mal aufs Navi und geht gesichtsmäßig zur schwarz/weiß-Ausgabe seiner selbst über. Wenn also irgendwie möglich, dann reise ich hier sehr gerne mit dem Zug an, genieße die Landschaft und trainiere meine Fähigkeiten im Ignorieren der Mitreisenden. Auch, wenn ich sie kenne. Ihr wisst ja: lächeln, nicken und hoffen, dass es keine Frage war. Nein, wenn die richtigen Leute zusammensitzen, vergehen die Stunden wie im Flug und es sind ca. sechs davon.
In Oberhausen noch kurz ins Taxi geworfen (“Sie kennen den Weg zum Haus Union? Wenn ich jetzt ja sage, kann ich keinen Umweg fahren, also nein!”), dann erstmal die Zimmer bezogen. Wir sind immer untergebracht im Haus Union, was auf den ersten Blick so wirkt, also ob hier mehrere Häuser nach einem heftigen Auffahrunfall beschlossen haben, zusammen zu bleiben. Aber die Zimmer sind sauber und ok. Essen, Getränke, Bedienung ist auch nicht von schlechten Eltern, allerdings müssen sich die Bedienungen schon öfter schnoddrig bemerkbar machen, da sie ansonsten unter lauter Kampfsportlern untergehen würden.
Am Freitag noch Referententreffen, das bayerntechnisch noch mit Richard, unserem Behindertenbeauftragen, aufstockte. In der Sitzung wurde Hans Wecks erneut einstimmig zum Bundesstilrichtungsreferenten gewählt und damit seine unglaubliche Arbeit geehrt. Bitte noch lange weiter so. Der Abend klang dann wie immer mit viel Witz und Gelächter in der Wirtsstube des Hotels aus.
Nächster Morgen, proteinreiches Frühstück und fünf Liter Kaffee machen die Augen startklar, beginnt der Bundeslehrgang. Viele ausgewählte Trainer zeigen ihr bestes rund im Kihon, Kata, Kumite, SV und Koshinkanformen. Nach drei Stunden Training, ich muss gestehen, hab ich das Kumite zur Erholung ausgelassen. Der Trainer hat meine Ausrede geglaubt, ich wäre eine halbe Stunde am Klo gewesen… aber seine Ankündigung, jetzt mal 30 Minuten Vollgas zu geben, hat mich dann nach ausgiebigem Bodenkampf doch klein beigeben lassen. Bin ja auch nicht mehr der Jüngste.
Die letzte Einheit durfte dann ich halten, Junro Nidan wollte mit Ansätzen zu SV und Körperbeherrschung in die Köpfe der verbliebenen Teilnehmer gefüllt werden. Ist schon lustig im Vorfeld, wenn sich Leute mit einem unterhalten, was da wohl für einer käme und was er macht, und ich auch keine Ahnung habe wer das sein soll. Hab dann auch noch dem Trainer vorher kurz geholfen den Trainer meiner Einheit zu suchen. Sind dann schnell fündig geworden.
War irgendwie lustig, keine Ahnung warum. Ach ja, aus Tradition und aus Prinzip ist dieser hochkarätige Lehrgang immer komplett kostenlos für alle Teilnehmer. Wo findet man das sonst noch?
Am Abend, nach kurzer Totenstarre im Hotelzimmer, die 25 Jahr Feier von Koshinkan. Es gab ein Buffet mit lauter Leckereien und einige Ehrungen vom DKV. Nette Gespräche unter den Teilnehmern und eine tolle Runde und wieder, die Tradition der Gastfreundschaft legt dies nahe, alles komplett kostenlos von der Koshinkan Stilrichtung dargeboten.
Am nächsten Tag dann wieder die Heimreise im Zug. Die Fahrt selbst war ein beobachtbares Chaos, in dem falsche Züge bestiegen, falsche Plätze belegt waren oder zu erstreiten gesucht wurden. Also frei nach deutschem Bahn-Motto “Warum soll ich Züge und Waggons korrekt bezeichnen?”. Man muss leider eins sagen, also ich sag das mal für mich, die Bahnhöfe von Duisburg und Düsseldorf sind… gruselig. Irgendjemand hat der Gegend mal die Farbe geklaut und sie ziemlich gut versteckt. Am Bahnhof teilweise Leute unterwegs, von denen man immer gerne mehrere Kilometer Abstand halten möchte. An den Bahnlinien verfallene und verlassene Geisterhäuser. Ich sagte es ja schon, gruselig. Die Landschaft außerhalb der Städte dagegen aber sehr schön. Wahnsinns Kontrast. Aber daheim ist es halt am schönsten.
Wir fahren trotzdem sehr gerne wieder hin, fahrt doch mal mit,
Euer Reiner